"Wir wollen Menschen ein Zuhause geben und miteinander die Liebe Gottes leben und teilen".
Diese Vision haben wir uns in der Hoffnungskirche Bielefeld als gemeinsames Jahresthema vorgenommen und in Mitarbeiterkreisen, Gemeindeforen, Gottesdiensten und Aktionen vertieft.
Wie kann Gemeinde ein Zuhause für Kinder und Jugendliche werden, wie für Menschen mit veränderten Lebensbedingungen und unterschiedlichsten Biografien?
Können wir diesem Anspruch überhaupt genügen oder bedeutet Nachfolge Christi nicht vielmehr sich auf den Weg machen, statt sich "häuslich einzurichten"?
Noch bevor uns richtig klar war, was das eigentlich bedeuten könnte, wurden wir praktisch herausgefordert, einem Menschen ganz konkret ein "Zuhause zu geben".
Ein junger Mann, der aus Sri Lanka nach Deutschland gekommen war und hier zum Glauben gefunden hatte und durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen wurde, sollte abgeschoben werden.
In Abstimmung mit dem BEFG und einer Rechtsanwältin und nach intensiver Beratung in Gemeindeleitung und einmütigen Beschluss der Gemeindeversammlung, nahmen wir den Bruder über einen Zeitraum von mehreren Monaten in unserem Gemeindehaus ins Kirchenasyl, um alle Möglichkeiten des Rechtsstaates auszuschöpfen.
Wir waren uns bewusst, dass dies eine enorme organisatorische und emotionale Herausforderung bedeutet, denn neben der juristischen Verantwortung war eben auch die psychosoziale Betreuung zu gewährleisten. Neben dem einmütigen Beschluss der Gemeinde und der solidarischen Hilfe vieler Einzelner, unermüdlicher Gebete, war es das gemeinsame Vertrauen auf Gott, das sich in dieser Zeit zeigte und bewährte.
Ein Team aus ca. 25 Freiwilligen sorgte dafür, dass der unfreiwillige und unabsehbare Daueraufenthalt im Gemeindehaus nicht zur Isolation wurde, sondern zu einer besonderen Form der vertieften Gemeinschaft, der Integration und des alltäglichen Gottesdienstes. Viele Geschwister lasen abwechselnd und regelmäßig mit dem jungen Mann Bibel oder die Zeitung, spielten Gesellschaftsspiele oder übten mit ihm Gitarre, kochten miteinander (und lernten die scharfe ostasiatische Küche kennen) oder erledigten notwendige Arbeiten und Reparaturen auf dem Gemeindegrundstück.
Kurz: Wir lebten ein ganzes Stück Alltag miteinander und lernten unser Gemeindehaus selbst neu als wertvollen Lebensraum kennen und schätzen.
Als im Juni das Kirchenasyl glücklich beendet werden konnte, fragten sich manche Beteiligten, warum wir diese Form intensiven Zusammenlebens nicht öfter pflegen.
Natürlich war diese spezielle Zeit eine Ausnahme. Aber die Lust am miteinander feiern, die Bereitschaft mehr miteinander zu teilen und die Offenheit für Neues nehmen wir als wertvollen Schatz mit in die Zukunft.
Inzwischen hat der junge Mann einen vorläufigen Aufenthaltsstatus und ist mitten in der Gemeinde angekommen. Das Kirchenasyl war uns wertvoller Impuls, wie wir Gemeinde weniger von Veranstaltungen und Gottesdiensten her verstehen und vielmehr als besonderen Lebensraum zur alltäglichen Begegnung mit Gott entdecken und nutzen können.
Christoph Schuler